Gilda - die Heimkehr

Dr. Gilda Wüst aus St. Radegund bei Graz leitet die Meditationslehrer-Ausbildungen an der Yoga-Akademie Austria. Sie beschreibt ihren Weg über Biologie, östliche Philosophie, Yoga bis zur Meditation und die Heimkehr aus der Vielfalt in die Einheit des offenen Gewahrseins.

 

Fabian Scharsach - Yoga-Akademie Austria

Es war immer schon ein tiefer Wunsch in mir, das Leben und seine Gesetzmäßigkeiten zu verstehen. Mein ganzes Leben habe ich an einem „System“ gearbeitet, das die Lebensgesetze beschreibt - alles, was mir begegnete, wurde in diese „Landkarte“ eingearbeitet. Der erste Schritt auf diesem Weg hat mich zum Biologiestudium geführt, in dem ich jedoch nur wenige Antworten auf meine brennenden Fragen fand. Dennoch blieb ich nach Abschluss des Studiums für einige Jahre als Universitätsassistentin in der Forschung.


Zugleich weitete ich meine Suche in den Bereich der östlichen Philosophie aus – in den Taoismus, das Tai Chi und Qi Gong. Ich besuchte auch schon Yoga-Kurse; diese Phase dauerte etwa 10 Jahre.

Ausbildungen und die Suche

Um auch das Wissen der ältesten Weisheitstradition in mein System einzubeziehen, besuchte ich 2008 die Ausbildung zur Yogalehrerin (Yoga-Akademie Steiermark). In den nächsten Jahren bin ich voll und ganz ins Yoga eingetaucht - in Asanas und Pranayamas ebenso wie in die Philosophie. Die Meditation war damals noch ein „notwendiges Übel“ für mich.


Um mehr Sicherheit im Umgang mit den Bedürfnissen meiner Kursteilnehmer zu bekommen, absolvierte ich die Svastha Yoga-Therapieausbildung. Vier Jahre standen die gesundheitlichen und therapeutischen Aspekte des Yoga im Mittelpunkt. Besonders der Unterricht von Ganesh Mohan hat mein „System“ weiter reifen und wachsen lassen. Zu dieser Zeit beschloss ich, nach der Karenz nicht mehr in die Forschung zurückzukehren, sondern mich als Yogalehrerin selbstständig zu machen.


Zu dieser Zeit - etwa 2015 - erarbeitete ich für die Yoga-Akademie Austria die Ausbildungskonzepte der Gesundheitsyoga- und Seniorenyoga-Lehrerausbildungen, die ich in den kommenden Jahren leiten sollte.


Ich hatte auch damals noch keinen rechten Zugang zur Meditation; ich spürte zwar, dass ein Schlüssel in ihr verborgen liegt, konnte ihn aber nicht richtig greifen. Mein nächster Schritt war deshalb die Meditationslehrerausbildung am Institut für spirituelle Psychologie bei Eckhart Wunderle. Da Eckhart ein direkter Schüler von Osho ist, lag der Schwerpunkt der Ausbildung auf den dynamischen Meditationen. Mit ihnen erschloss sich mir erstmals das Potential der Meditation. Doch meine Erfahrungen waren immer nur von kurzer Dauer und der Weg auf das Kissen an vielen Tagen mühsam. Die Erkenntnisse aus dieser Ausbildung flossen wie immer in mein System und halfen mir, das Konzept und die Dokumentation für die Meditationslehrer-Ausbildung zu entwerfen, die ich für die Yoga-Akademie Austria seit 2015 leite.

Pema Chödrön

Bis zu diesem Zeitpunkt wuchs mein System, indem ich hier und dort einen Satz fand, der sich wahr anfühlte oder mir eine Erkenntnis brachte. Dann stieß ich auf meine heutige Lehrerin - die buddhistische Nonne Pema Chödrön. Auf einer Seite ihrer Bücher fand ich mehr Schätze als in all den Jahren davor.


Jede Erkenntnis aus ihren Lehren habe ich sofort in mein System eingearbeitet, bis ich wie Dagobert Duck auf einem riesigen Berg von Schätzen saß. Doch es gab eine Schwierigkeit: Ich konnte meine Schätze nicht in den Alltag mitnehmen. Im täglichen Leben war ich noch immer oft unbewusst, gestresst, hart zu mir selbst und konnte aus meinen Reaktionsmustern nur schwer aussteigen. Meine Praxis am Kissen war zu dieser Zeit zwar regelmäßig, aber immer noch eine Pflicht, noch immer anstrengend, etwas wie „Das muss ich heute noch machen“.
Und so beschloss ich, mein Wissen loszulassen – meine Schatzkammer zu verlassen und nur einige wenige „Wahrheiten“ in den Alltag mitzunehmen. Um entscheiden zu können, welche Schätze das sein sollten, musste ich all meinen Besitz sortieren. Und siehe da, es blieben sieben Qualitäten übrig – die sieben Aspekte der Meditation:


1. Bewusstheit
2. Wahrnehmung
3. Verbundenheit
4. Authentizität
5. Entspannung
6. Vertrauen
7. Offenheit

 

Ich beschloss, mich immer nur mit einer dieser Qualitäten intensiver zu befassen. Von diesem Moment an veränderte sich mein Leben merkbar. Es gelang mir immer öfter, auch im fordernden Spagat zwischen Kindererziehung und Selbstständigkeit bewusst zu bleiben, ich konnte Freundschaft mit mir selbst schließen und wurde dadurch toleranter gegenüber anderen, meine innere Führung wurde deutlicher wahrnehmbar und die Momente bedingungsloser Daseinsfreude häufiger.

 

Um mich auch beruflich voll und ganz auf die Meditation konzentrieren zu können, gab ich die anderen Ausbildungen (Gesundheit und Senioren-Yoga) an Ausbildungsleiter/innen der Yoga-Akademie ab.


Durch meine eigenen Erfahrungen mit den sieben Aspekten der Meditation motiviert, ließ ich sie auch in die Meditationslehrer-Ausbildung einfließen. Die Rückmeldungen zeigten, dass die Landkarte auch für andere Menschen hilfreich ist und ihnen den Zugang zur Meditation erleichtert. In weiterer Folge entwickelte sich der Online-Meditationskurs „Die Farben der Freude“, den ich seit 2021 anbiete. Mit diesem Kurs möchte ich Menschen darin unterstützen, die sieben Aspekte der Meditation im Alltag zu leben.


In letzter Zeit zeichnet sich ein weiterer Schritt auf meinem Weg ab: Die sieben Qualitäten beginnen wieder ineinander zu fließen. Was bleibt, ist ein offenes und freundliches Gewahrsein aller Erfahrungen und Erscheinungen. Es fühlt sich an wie ein „Nach Hause kommen“ – eine Rückkehr aus der Vielfalt in die Einheit.


Dies bedeutet nicht, dass es mir immer gut geht. Es gibt Phasen, in denen ich krank bin, depressiv, ungeduldig oder ärgerlich (und was das Menschsein sonst noch alles mit sich bringt). Die Meditation schützt mich nicht vor diesen Erfahrungen. Doch sie begleitet mich durch sie hindurch und schenkt mir die bedingungslose Daseinsfreude, unabhängig davon, ob mein Leben gerade angenehm, schmerzhaft oder einfach nur ganz normal ist.

Sadhana, Yoga lehren und weitere Schritte

Neben der Leitung von Meditationslehrer-Ausbildungen für die Yoga-Akademie Austria betreue ich eine Internet-Seite www.innerjoy.at, über die ich den Online-Meditationkurs „Die Farben der Freude“ und einen Blog mit regelmäßigen Anregungen zu Meditation und Achtsamkeit im Alltag anbiete. Seit 2017 bin ich für die Krebshilfe mit Workshops aktiv; Yogakurse biete ich zurzeit keine mehr an.


In letzter Zeit verzichte ich immer mehr darauf, mein Leben zu planen. Ich vertraue meiner inneren Führung und entscheide im Augenblick, was zu tun ist. Und wenn wieder einmal ein Moment kommt, in dem ich glaube, endlich alles erkannt zu haben, dann nehme ich es mit Humor und Gelassenheit, denn ich weiß, dass das nur eine Momentaufnahme ist und der Weg endlos weitergeht.

 

„Der fundamenalste Glaubenssatz ist die Annahme, dass das Leben für uns angenehm, problemlos und sicher sein sollte …. Eine der befreiendsten Entdeckungen einer Praxis des Gewahrseins ist das unmittelbare Erkennen, dass wir selbst inmitten von unangenehmen Erfahrungen Gelassenheit erfahren können.“

Ezra Bayda, „Wahres Glück“

 


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