Stress und seine Auswirkungen

Seinen Ursprung hat der Begriff „Stress“ in der Physik. Material-Wissenschafter zogen ihn für die Beschreibung der Verformung eines Werkstoffes heran, wenn dieser lange starken Kräften ausgesetzt ist. Aus dem Englischen kommend lässt sich Stress mit Belastung, Beanspruchung, Belastbarkeit, Druck oder Spannung übersetzen.

 

Der Biochemiker und Hormonforscher Hans Selye bezog Stress erstmals in den 1930er-Jahren auf den Menschen. Er gilt als Vater der Stressforschung, er entwickelte das Allgemeine Anpassungssyndrom. Selye definierte Stress als „unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung“. Als Stressor bezeichnet man einen Reiz, der eine solche unspezifische Reaktion auszulösen vermag. (thieme.de)


Mittlerweile haben sich die Definitionen und Forschungsfelder weiterentwickelt und es gibt weitere Modelle, die Stress näher beleuchten und größer fassen. Wissenschaftlich erforscht ist mittlerweile auch der Umstand, dass dauerhafter Stress eine der Hauptursachen von Krankheit ist. Beinahe 40.000 Einträge fasst das Ergebnis der Google-Suchmaschine auf den Begriff "Stress".

 

Stress führt nicht nur zu innerer Anspannung und Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Nervosität, Angst und Wut – Stress manifestiert sich auch auf körperlicher Ebene: in Form von Verspannungen und Schmerzen über psychischen Erkrankungen wie Depression, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Schlaganfall und Herzinfarkt, Diabetes und Magengeschwüren. Die Liste ist hier nicht enden wollend und genau aus diesem Grund ist es sinnvoll und wichtig, sich mit den eigenen Stressoren auseinanderzusetzen, Wege zu finden zu entspannen, Druck abzugeben und damit die eigene Gesundheit zu fördern. Stress als Ganzkörperphänomen begegnet uns unweigerlich als Bestandteil des Lebens – in Form von Sinn- und Werte-Fragen, Zukunftsängsten, Orientierungslosigkeit und Überforderung im beruflichen wie im privaten Leben. Vor allem Veränderungen werden als belastend empfunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Stress eine individuell empfundene Sache ist – vor allem Kopfsache. Was den einen schon an die Decke gehen lässt, muss für den anderen kein Trigger sein.

Di- und Eustress

Vorauszuschicken ist, dass nicht jede Form von Stress zu Krankheit führt. Stress an sich ist eine natürliche Reaktion des Körpers, die unser Überleben sichert. Der Mensch gerät dadurch in die Lage, alle Kräfte für Flucht oder Kampf zu mobilisieren. Unterschieden wird in diesem Zusammenhang zwischen Di- und Eustress:

 

Distress kann man als negativen Stress bezeichnen: Man fühlt sich überfordert. Distress steht für Anforderungen und Situationen, denen man sich nicht gewachsen fühlt. Dazu zählen etwa Dauererreichbarkeit, Digitalisierung, Doppelbelastung durch Kinder und Beruf sowie unsichere Arbeitsverhältnisse.

 

Eustress hingegen steht für positiven Stress - etwa dahingehend, dass uns die Anregung des Nervensystems für eine gewisse Zeit leistungsfähiger macht. Dazu gehört zum Beispiel die aufgeregte Anspannung eines Sportlers vor einem wichtigen Wettkampf.

 

Die Grenzen zwischen Eustress und Distress sind zudem fließend. Eine positive als positiv empfundene Herausforderung kann sich durchaus in negativen Stress umwandeln, wenn sie etwa sehr lange andauert.

 

Das autonome Nervensystem - Sympathikus und Parasympathikus

Das vegetative Nervensystem durchzieht den ganzen Körper und beeinflusst verschiedene Organe wie das Herz, den Darm und die Haut. Es ist durch den Willen nicht beeinflussbar, heißt deshalb auch autonomes Nervensystem.

 

Zwei Komponenten sind hier aktiv. Vereinfacht gesagt, sorgt der Sympathikus für Anspannung (Flucht und Kampf), der Parasympathikus für Entspannung (Rast und Verdauung). Stress führt zu Anspannung – triggert den Sympathikus. Bei dauerhafter Anspannung kippt das System, der Sympathikus ist daueraktiv. Dies führt etwa zu Herzrasen, Blutdruckanstieg, beschleunigte Atmung, gereizten Magen oder Durchfall. Auf psychischer Ebene geht ein derartiger Erregungszustand mit einer Fokussierung der Aufmerksamkeit, einer erhöhten Reizbarkeit und Wachheit einher. Diese übermäßige Aktivierung ist für Körper und Psyche kurzfristig ohne Schaden. Auf Dauer führt die Überaktivierung zu verschiedenen körperlichen und psychischen Symptomen und Erkrankungen.


Unter hoher Stressbelastung kommt es unter anderem zu einer vermehrten Freisetzung von Cortisol aus der Nebennierenrinde. Cortisol führt als Hormon zu zahlreichen körperlichen und psychischen Veränderungen wie Gewichtszunahme, Anstieg des Blutzuckers, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Bei längerer Erhöhung von Cortisol kann es zu einer eingeschränkten Empfindlichkeit der Cortisol-Rezeptoren im ganzen Körper kommen – um nur einen Faktor hervorzuheben, den Dr. med. Robert Willi in seinem Artikel „Stressreaktion“ beschreibt.

Erhöhter Muskel-Tonus

Ist der Sympathikus angetriggert, ist auch die Muskulatur bereit, in Aktion zu treten – wie schon beschrieben, geht es jetzt um Kampf oder Flucht, auch wenn wir lediglich im Auto sitzen und uns ein Stau unter Druck versetzt, und es in diesem Fall gar nicht möglich ist, zu agieren – und derlei Situation gibt es viele.

 

Eine Entladung ist quasi nicht möglich. Finden wir keinen Ausgleich, kommen wir nicht zur Ruhe, so manifestiert sich Stress auch auf der Körper-Ebene. Besonders anfällig für stressbedingte Dauerverspannungen sind die Schulter-, Nacken- und Kiefermuskulatur, die Rückenmuskulatur und der Große Lendenmuskel. Die Muskulatur an der Vorderseite des Körpers zieht sich zusammen, um wesentliche Organe wie das Herz zu schützen. Der Muskeltonus erhöht sich generell – als Antwort auf die Bereitschaft, alles zu geben. Hält der Stressreiz nun an, ist er wiederkehrend und kann diese Kraft nicht freigesetzt werden, kommt es zu einer manifesten Verspannung. Dies führt zu dauerhaften Verhärtungen und Versteifungen. Migräne, Schwindel und Tinitus können die Folge sein. Schmerzen und Schonhaltungen werden begünstigt. Die Muskulatur wird nicht mehr gut durchblutet und mit Nährstoffen versorgt. Auch der Abtransport von Abfallprodukten ist vermindert.

 

Faszien

Führende Experten der Faszienforschung wie etwa Tom Maeyers gehen davon aus, dass auch unsere Faszien sehr sensibel auf Stress reagieren.

 

Vereinfacht kann man die Faszien als ein körperweites Bindegewebsnetzwerk beschreiben. Es durchzieht den gesamten Körper bis hin zu jeder Zelle, gibt uns Struktur, ja, es wird sogar als eigenes Sinnesorgan beschrieben. Faszien sind also kein passives Gewebe, vielmehr sind sie aktiv an der Regulierung der Biodynamik, der Weiterleitung von Informationen, der Körperwahrnehmung und -regulation beteiligt. Sie übernehmen auch wichtige Funktionen für den Blut- und Lymphfluss. Das Fasziennetzwerk erkennt Lage und Bewegungen des Körpers. So reagiert es etwa auf Gelenksstellungen oder Muskelspannung, aber auch unabhängig davon eben auf Stress.

 

Verantwortlich dafür sind die Myofibroblasten. Diese Zellen können sich aktiv zusammenziehen – als Antwort auf Stress. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass eine Verbindung zwischen der Myofibroblastendichte und Schmerzen vermutet wird. Dies könnte eine Antwort auf undefinierten Rückenschmerz geben, so etwa im unteren Rücken, wo wir die Lendenfaszie finden.

 

Was kann ich tun?

Nun wird nicht nur die Spannung der Muskulatur und der Faszien vom autonomen Nervensystem beeinflusst. Dieser Effekt wirkt auch in die entgegengesetzte Richtung: Über Entspannungstechniken oder Bewegung kannst du dazu beitragen, Anspannung im Geist, in deiner Muskulatur wie auch in deinem Bindegewebe zu reduzieren und es geschmeidig zu halten.

 

Yoga bietet hier eine Vielzahl an Möglichkeiten, vor allem durch den meditativen Charakter und die Verbindung von Atem und Bewegung. Du kannst dich also aktiv dabei unterstützen, Verhärtungen der Muskulatur und Verfilzungen des Fasziengewebes entgegenzuwirken, indem du deinen Geist, deinen Atem und deinen Körper ganzheitlich ansprichst.

 

Beispielsweise kannst du mit Meditationen und Affirmationen auf der Geistebene ansetzen und damit dem übersteigerten Denken entgegenwirken, dich geistig ausrichten, auch Sinn finden. Allein die tiefe Bauchatmung hilft dir, dich zu beruhigen und die unterschiedlichen Pranayamas unterstützen dich dabei deinen Ausatem zu verlängern und loszulassen.

 

Asana-Praxis bringt dich in den Körper, ins Spüren, schenkt dir Kraft, Aufrichtung, wie auch Entspannung und Balance. Die Beschäftigung mit der Yoga-Philosophie gewährt dir Einblicke in die Funktionsweisen des Geistes – du findest in der Yoga-Praxis zahlreiche Ansatzpunkte, dein Wohlbefinden zu steigern, Stress abzubauen und letztlich auch abseits der Matte im Gleichgewicht zu bleiben, indem du deine Praxis in den Alltag integrierst.

 

AUTORIN: 

Mag. Christina Kiehas

www.yogena.at

 

Mag. Christina Kiehas

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