Essbare Wiese

Über Wildkräuter, Brennnesseln und Energiebällchen

von Harriet Pirchner


Es gibt viele Gründe, warum wir Wildkräuter, Wildgemüse und Früchte sammeln und zu uns nehmen sollten. Kulturgemüse und Früchte, die wir im Supermarkt kaufen, werden in Monokulturen gezüchtet und sind sehr Energie- sowie Nährstoffarm. Im Gegensatz dazu haben wilde Pflanzen, wie wir sie auf Wiesen, in Parks und Feldern finden, eine 20 - 30fach höhere Menge an Vitalstoffen. Neben den primären Inhaltstoffen (Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß) sind sie reich an Vitaminen, Enzymen, Mineralstoffen (z.B. Eisen, Magnesium, Calcium, Kalium…), Chlorophyll, Kieselsäure, Ballaststoffen und besitzen zusätzlich unterschiedliche sekundäre Inhaltstoffe.


Sekundären Inhaltsstoffe sind chemische Verbindungen, die eine spezifische Funktion im Stoffwechsel der Pflanze haben. Ihr Wirkspektrum ist vielfältig und in jedem Gewächs anders. Wichtig ist: Sie können für den Menschen sowohl gesundheitsschädigend als auch gesundheitsfördernd sein. So wie es Paracelsus einst ausdrückte: „Alle Dinge sind giftig, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift ist.“ Auch die Pharmazie hat sich die sekundären Pflanzenstoffe zu nutzen gemacht, man denke hier zum Beispiel an das Aspirin, Herzmedikamente, Morphium etc.


Es gäbe noch sehr viel über die einzelnen Inhaltsstoffe zu sagen, aber das Thema ist so umfangreich und würde den Rahmen sprengen. Faktum ist, wir sollten uns die wertvollen Inhaltstoffe zu nutzen machen und die wilde Wiese in unserem Speiseplan integrieren.
Hippokrates sagte:


 „Eure Nahrung soll Eure Medizin sein
und eure Medizin Eure Nahrung.“

Schon seit Urzeiten wurden vom Menschen Wildkräuter, Wildfrüchte und Wildgemüse als Nahrung, für Rituale und als Heilmittel genutzt. Damals wusste man nicht, welche Wirkstoffe enthalten waren, es wurde mit Intuition und dem Wissen der Vorfahren gehandelt.


Auf unseren Wiesen wächst das wahre Superfood, wir müssen nicht Chiasamen, Gojibeeren und Co aus fernen Ländern importieren. Wir haben alles, was wir brauchen, vor unserer Haustüre. Die Pflanzen passen nicht nur genau zu unserer Genetik, sie sind auch frei von Plastik und der CO2-Fußabdruck ist gleich null.


Zusätzlich tut es unserer Gesundheit gut, denn wenn wir Wildkräuter sammeln, bewegen wir uns in der frischen Luft, tanken neue Kraft und Energie. Bewegung steigert erwiesenermaßen unser Wohlbefinden und ist daher eine Prävention zur Erhaltung unserer Gesundheit. In der Natur verbinden wir uns mit unserer Urkraft und wecken unsere Lebensgeister.
Ich sammle regelmäßig Kräuter, dabei ist es mir wichtig, achtsam zu sein und nur solche Mengen zu ernten, die man dann auch verwendet, damit nichts auf dem Kompost landen muss. Als Energieausgleich fürs Pflücken gebe ich Dankbarkeit, Demut und Anerkennung der Natur zurück. Bevor ich eine Pflanze ernte, frage ich sie um Erlaubnis und bedanke mich auch bei ihr.


Ich möchte in diesem Artikel eine Pflanze vorstellen, die eine der wichtigsten wilden Gewächse ist.  Sie ist ein Alleskönner und eine wahre Nährstoffbombe. Außerdem für jedermann leicht erkennbar und es gibt keine Giftpflanzen, mit der man sie verwechseln kann. Sie wächst auch immer da, wo der Mensch ist. Sie verfolgt uns geradezu, weil sie gerne nährstoffreiche Böden mag; sie gilt auch als Stickstoffanzeiger. Man kann sie vom Frühjahr bis September hinein ernten und sie wird auch im Folgejahr dort wieder wachsen, wo sie einst war.

Mit viel Freude stelle ich euch heute die Brennnessel vor:

Urtica dioica – große Brennnessel

Inhaltsstoffe:    

Flavonoide (Quercetin, Kämpferol, Isorhamnetin), Mineralstoffe (Magnesium, Kieselsäure, Kalium, Eisen), Carotinoide, Acetylcholin, Ameisensäure, Histamin, sehr hoch an Vitamin C, Vitamin A, Vitamin E, Fett, Kohlenhydrate, Reich an Eiweiß Phytosterole
In der Wurzel sind Lektine, Sterole, Cumarine, Lingnane und Fettsäuren enthalten.
Die Samen enthalten etwa 30% festes Öl (besonders Linolsäure), Schleimstoffe, Carotinoiden und Vitamin E.

Wirkungen:
•    lindert Arthrose, Arthritis, Prostatabeschwerden und Blasenprobleme
•    positive Beeinflussung von Darmproblemen, Anregung des Stoffwechsels
•    wirkt blutdrucksenkend und harntreibend, entwässernd
•    entzündungshemmend und krampflösend
•    immunsystemstimulierend
•    Brennnesselsamen gelten als Stärkungsmittel bei Müdigkeit, Stress und Leistungsschwäche. Zudem wird ihnen eine fruchtbarkeitssteigernde und aphrodisierende Wirkung zugeschrieben
•    hilft bei rheumatischen Beschwerden
•    blutreinigend und entgiftend
•    die Phytosterole (senken den Cholesteringehalt im Blutplasma und haben einen krebshemmenden Effekt – wurde bei Tumorzellen im Dickdarm beobachtet)
•    der hohe Siliziumgehalt und die Kieselsäure straffen das Bindegewebe, machen Haare glänzend und stärken die Nägel

Die Heilwirkung des Krauts war bereits Dioskurides bekannt, das Kraut wurde
schon damals für viele äußere und innerliche Beschwerden verwendet.
Im Kräuterbuch von P.A. Matthioli wird die Brennnessel für viele
Alltagsbeschwerden verwendet, für Mönche und Nonnen war sie aufgrund ihrer aphrodisierenden Wirkung strengstens verboten.

Die vielen Vorteile der Pflanze machte man sich nicht nur selbst zunutzen, man
hat z.B. auch Pferden bevor sie verkauft wurden 2 Wochen lang
Brennnesselfrüchte zugefüttert, denn dann hatten sie ein schön glänzendes Fell
und es wurde ein höherer Preis erzielt.

Anwendungen:

Die Anwendungen der Brennnessel sind sehr vielfältig, ob als Zutaten für Seifen, Tinkturen, Cremen oder als Schädlingsbekämpfung im Garten. Heute beziehe ich mich auf die einfachste und für jeden machbare Anwendung – aufs Essen.
Die ganz kleinen zarten Blätter, die nachdem der Schnee weg ist, aus dem Boden kommen, kann man am besten gleich vor Ort naschen, diese Blätter brennen auch noch nicht. Sie verwende ich auch gerne als Zugabe für Salate oder auf Brote. Wenn die Pflanze dann größer wird, nutze ich sie in Smoothies, Gemüsesäften, Suppen, Pestos, zu gedünstetem Gemüse beigefügt, in Brotmischungen, als „Spinat“, in Quiche oder Strudel.
Getrockneten Brennnesselblätter kann man für Tees verwenden. Achte aber darauf, dass sie dunkel gelagert werden.
Die Früchte kann man übers ganze Jahr verwenden, sie schmecken ganz toll auf Salate, in Brotmischungen, in Aufstrichen, zu Rohkostspeisen, auf Butterbrote etc. Meine Kinder lieben es, sich die „grünen Brösel“ übers Brot zu streuen. Meine jüngste Tochter liebt Süßes, sie mag die Früchte sogar auf einem Honig- oder Marmeladebrot. In Müslis oder Energiekugeln eingearbeitet sind sie die perfekte Zutat. Die Energiebällchen mache ich besonders gerne, weil meine Kinder sie sehr mögen und es macht mir Freude, weil ich genau weiß, was in der Nascherei drinnen ist. Die Früchte mit Salz vermischt ergeben ein tolles Kräutersalz, das ist auch ein schönes Mitbringsel für Freunde.

Als Tee-Kur sollte man die Brennnessel nicht länger als 2 Wochen anwenden.
2 TL Brenneselblätter mit 250ml kochendem Wasser übergießen, 8-10 min ziehen lassen, 1 bis 3 Tassen täglich trinken.

 

Wenn man die Pflanze in den Speiseplan integriert, nicht jeden Tag verzehren, sondern immer wiedermal einbauen. Generell sollte man bei den Wildpflanzen mit geringen Mengen beginnen, um den Körper nicht zu überfordern, denn dieser muss sich erst daran gewöhnen.


Wie erntet man die Brennnessel am besten?
Bei der Ernte der Blätter ist es anzuraten, dass man von unten nach oben streicht und am besten mit festem Griff, denn das zerstört die Brennhaare. Wird in entgegengesetzter Richtung geerntet, ist die Chance hoch, dass die Brennhaare eine schmerzhafte Begegnung hinterlassen. Ehrlicherweise sammle ich gerne mit festem Handschuh. Beim weiteren Zubereiten in der Küche werden die Brennhaare zum Beispiel durch das kochen/blanchieren, durch Trocknen oder durch Mixen zerstört. Also keine Angst vorm Essen.


Nun zu den Samen – man verwendet jene der weiblichen Pflanzen:
Die weiblichen Brennnesseln sind zu erkennen durch ihre herabhängenden Früchte. Durch die Lupe betrachtet sind sie leicht weißlich an den Früchten im Gegensatz zu den eher grünen Früchten der männlichen Brennnessel. Nach der Befruchtung sind dann in den weiblichen Exemplaren schwarze kleine Samen zu sehen. Man erntet ca. ab Ende August, da ab dieser Zeit die wertvollen Samen in den Früchten enthalten sind. Nach dem Trocknen werden sie in Gläser abgefüllt und dunkel aufbewahrt, sie kann man das ganze Jahr über verwenden.


Brennnessel-Energiebällchen

Zutaten für ca. 20 Bällchen:
•    150 g Mandeln
•    185 g entsteinte Datteln, evt. auch andere Trockenfrüchte
•    2 EL Wasser oder Orangensaft
•    1-2 Handvoll frisches Brennnesselkraut (ohne Stängel)
•    4 EL Brennnesselfrüchte
•    1 EL Nussbutter nach Wahl
•    1 Prise Meersalz
•    Gewürze je nach Geschmacksvorliebe: Zimt, Kardamon, Vanille
•    zum Wälzen kann man verwenden: Kakaopulver, Kokosraspel, Pistazien, Sesam

 

- Mandeln mit Nussbutter und der Flüssigkeit im Mixer zerkleinern, die Datteln hinzufügen und nochmals mixen.

- Das Brennnesselkraut klein schneiden, mit Salz und Gewürze der Masse hinzufügen. Mache eine Probe, ob sich die Kugeln schon gut formen lassen.

- Dann hebe die Brennnesselfrüchte unter und forme draus die Bällchen. Falls die Masse zu trocken ist, kannst du noch etwas Wasser hinzufügen. Die fertigen Kugeln in den gewünschten Zutaten wälzen und dann am besten gleich eine Probieren, oder zwei :-).


Die Energiebällchen sind im Kühlschrank bis zu 2 Wochen haltbar.


Die Autorin

Harriet Pirchner - Yoga-Akademie Austria

Harriet Pirchner aus Rauris, Szbg ist Yogalehrerin, Weiterbildungsleiterin für Senioren-Yoga sowie zertifizierte Kräuterpädagogin.

 

"Ich bin Mutter von zwei Kindern und arbeite in der Firma meines Mannes, nebenbei vermiete ich auch 2 Appartements. Es ist somit immer viel zu tun und ich brauche Hilfsmittel, um wieder zur Ruhe zu kommen, Balance zu finden und abzuschalten. Yoga ist für mich das geeignete Instrument, es war lange ein Teil von mir und ist schließlich zu meinem Leben geworden. Genauso sind die Nähe und Verbundenheit zur Natur, zu unserer Urkraft für mich essentiell. Es freut mich, wenn ich meine Liebe und Begeisterung zu den Kräutern teilen kann. Für mich erscheint es so einfach das „wilde Grüne“ wieder in den Alltag zu integrieren und deren Potential zu nutzen und das möchte ich weitergeben."

 

https://www.rauris-auszeit.at/de

 



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