„Geld ist Liebe“ – als ich diesen Satz im Rahmen einer Weiterbildung in Energiearbeit nach Barbara Ann Brennan das erste Mal hörte, war ich wohltuend überrascht. Das war einmal etwas Neues zu
diesem sonst doch oft eher zwiespältigen, wenn nicht gar leidigen Thema.
Grundsätzlich gibt es unter Menschen, die sich als „spirituell“ empfinden, zwei grundsätzliche Zugänge zu Geld und Besitz.
Die einen lehnen alles Materielle radikal ab und gehen so weit, Armut als eine Art Lebensphilosophie zu wählen; die anderen entdecken in spirituellen Praktiken Hinweise auf das Ideal vollkommener
Wunscherfüllung und sehnen sich nach mehr oder weniger „unermesslichem“ Reichtum. Wie so oft enthalten beide Sichtweisen eine wertvolle Wahrheit.
Zwei Grundzugänge
Die Asketen wünschen sich Freiheit, Unabhängigkeit – alles, was den freien Fokus auf die Wahrheit auch nur annähernd verstellen oder behindern könnte, wird radikal aus dem persönlichen Leben
entfernt. Und sie haben ein Stück weit auch vollkommen Recht damit: es ist tatsächlich sehr leicht, sich in materiellen Dingen zu “verstricken“ bzw. spirituell ein bisschen einzuschlafen, sei es,
weil man sie hat oder sei es im Ringen um sie, wenn man sie nicht hat …
Anders jene, die von Reichtum, Wohlstand, Fülle und Überfluss träumen (man denke an Bestseller wie „The Secret“ und viele andere). Auch sie halten einen Zipfel der Wahrheit in der Hand: das
Göttliche ist kein „Bettler“ und auch die Natur zeigt sich rundum in verschwenderischer Schönheit und Vielfalt. Mangel, Not und Verzweiflung passen einfach nicht zu den guten Absichten einer
liebenden Gottheit, die sich in die Schöpfung und auch in uns verströmt … Es ist uns daher nicht nur erlaubt, sondern wir sind eingeladen, unser Dasein in vollen Zügen zu genießen.
Drei wesentliche Kräfte
Wie passen diese beiden Extreme aber nun zusammen?
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich hier einfach ein paar Ansätze beschreiben, die mir persönlich sehr viel Klarheit und inneren Freiraum geschenkt haben, und die vielleicht auch für
dich von Interesse sein könnten.
Wenn man aus den obigen beiden Zugängen jeweils das wesentliche herausschält, dann entdecken wir in diesem Zusammenhang drei Grundbedürfnisse, die wir als Menschen wahrscheinlich alle
teilen:
Da ist zunächst einmal das Bedürfnis nach Sicherheit. Als Menschen, die wir uns der Vergänglichkeit und der Verletzlichkeit unserer pysischen Körper nur allzu bewusst sind, suchen wir nach einer
Geborgenheit, die uns nicht mehr genommen werden kann, am besten nie mehr. Insofern möchten wir entweder von ganzem Herzen glauben dürfen, dass das Göttliche immer für uns sorgt, bis hinein in
unsere ganz banalen materiellen Bedürfnisse (wie in der berühmten Bibelstelle von den Lilien auf dem Felde, für die ohne ihr Zutun gesorgt wird) – oder wir möchten nichts mehr brauchen
(vollkommene Askese bis hin zu einem Armutsgelübde).
Ist der Punkt Sicherheit auf die eine oder andere Weise „geklärt“, dann zeigt sich das Bedürfnis nach Schönheit, Ausdruck und Selbstentfaltung als gleichfalls gültiges und wertvolles menschliches
Streben. Dann ist es nicht egal, ob die Welt rundum in Trümmern liegt und andere Wesen neben mir verhungern. Ein asketischer Mensch kümmert sich vielleicht bewusst nicht um ein chaotisches
Rundherum, da alle Aufmerksamkeit auf ein Ideal jenseits der Erscheinungen gerichtet ist und der vollkommene Verzicht auf ein Teilhaben am Lebensspiel, wie es sich auf der Erde zeigt, eine Tür zu
perfekter Gelassenheit darstellt. Für Menschen, die sich statt einem Zurücklassen der Welt mehr ein „Paradies auf Erden“ wünschen, ist es jedoch eine Zumutung, Schmerz und Hässlichkeit in der
Welt zu entdecken und den Unterschied zwischen dem, was aktuell (zumindest in ihrer Wahrnehmung) ist und dem, was sie als Erfüllung ihres Traumes für scih selbst und andere empfinden würden, vor
Augen zu haben. Also gilt es, das Gewünschte mit aller Kraft ins Sein zu holen … - dies kann jedoch in Mühe ausarten, eventuell auch in Frustration.
Die dritte Kraft im Bunde ist schließlich jene, die in der Lage ist, die beiden anderen wundervoll zu vereinen und etwas Neues entstehen zu lassen; nämlich die Kraft einer Ganzheitlichen
Evolution.
Im Prozess der Evolution sind wir als Menschen aufgefordert, den Kampf ums Überleben hinter uns zu lassen und stattdessen die Vollkommenheit des Lebens, die sich von Moment zu Moment immer weiter
offenbart, als Teil unserer spirituellen Praxis zu begreifen. Und innerhalb dieses Prozesses der Entfaltung dürfen wir sowohl Ausdruck als auch Instrument des Göttlichen sein.
Darin liegt bereits eine wichtige Antwort: alles Persönliche und mich vom Ganzen trennende Streben nach Besitz, nach Fülle, nach Wohlstand, alle Geldgier werden für die, die einen spirituellen
Weg leben möchten, irgendwann (das muss noch nicht heute sein) zum Hindernis. Hier ist der Moment für Entsagung gekommen, für Askese, aber nicht als ein Moment des Verzichts, sondern als eine
Befreiung von etwas Kleinem und Begrenzenden, das nicht mehr zur inneren Weite passt, einfach nicht mehr gemäß ist. Und im selben Moment eröffnet sich eine Art und Weise, schöpferisch für das
Ganze zu wirken und alle individuellen Gaben und Geschenke für dieses „Paradies auf Erden“ einzusetzen. Das Streben nach Schönheit, künstlerischen Ausdruck, nach Gestaltung der Welt, nach
schöpferischem und freudvollem Tun kann sich hier vollkommen erfüllen.
Irgendwann kommt dann auch die Erfahrung, dass nicht wir handeln, sondern vielmehr das Göttliche durch uns und in uns wirkt. Und so erscheint auch der Graben zwischen dem, was ist und einem
Ideal, das einmal sein könnte, nicht mehr ganz so unüberbrückbar: es braucht lediglich ein Maß an Geduld, das unsere menschliche Dimension vielleicht ein wenig übersteigt …
„Die yogische Geldwäsche"
In „The Mother“ schreibt Sri Aurobindo, dass Geld das sichtbare Zeichen einer universellen Kraft ist, die für die Fülle der Manifestation auf der Erde wirkt. Und diese Kraft ist von ihrem
Ursprung her ein Ausdruck des Göttlichen und gehört auch dem Göttlichen. Allerdings wird sie „unterwegs“ oft ein wenig „abgelenkt“ oder in hrem Wirken „verfälscht“, um es einmal vorsichtig
auszudrücken (The Mother, Kapitel 4).
Dennoch eröffnet diese Sichtweise interessante Möglichkeiten. Es ist zunächst einmal nicht nötig, Geld und Besitz pauschal zu verteufeln, sondern stattdessen liegt unsere Aufgabe darin, sie
wieder ihrem ursprünglichen Kontext und Sinn zurückzugeben, nämlich dem Götttlichen.
Dies ist ein Prozess, den ich mit einem Augenzwinkern gerne als „Yogische Geldwäsche“ bezeichne. Sobald Geld und Besitztümer in unseren persönlichen Einfluss- und Entscheidungsbereich gelangen,
können wir sie innerlich dem Göttlichen zurückgeben und um die Inspiration bitten, diese Dinge im Sinne des Göttlichen zu verwenden.
In dieser Neuorientierung, wo wir aufhören, Geld und Besitztümer als „mein“ zu empfinden, sondern sie für unser aller Selbst verwalten und so weise und liebevoll wir es vermögen, einsetzen,
ereignet sich eine wundervolle innere Befreiung und es wird möglich, die beiden extremen Grundhaltungen, von denen ich oben ausgegangen bin, in vollendeter Harmonie zu vereinen: Wenn wir in
dieser Haltung mit Geld und Besitz umgehen, sind wir einerseits völlig „arm“ und verwirklichen damit die Freiheit der Asketen – und zugleich sind wir bereit, in Weisheit, Mitgefühl, Liebe,
Achtsamkeit und Schönheit an der sich immerfort entfaltenden Manifestation des Göttlichen Seins mitzuwirken … wir haben schöpferisch Teil am unbeschreiblich schönen Konzert des Lebens.
Es ließe sich noch sehr, sehr vieles zu diesem Thema schreiben, doch ich möchte hier nur einen ersten Impuls darstellen, der zum Weiterdenken und zu eigenen Erkenntnissen und Entdeckungen führen
möge.
Eine Münze für dich
Als Abschluss noch eine kleine praktische Anregung: Wenn das nächste Mal in irgendeiner Weise Geld zu dir kommt, nimm zumindest einen Teil davon – auch wenn es nur eine symbolische Münze ist
- und lege es auf deinen Altar (sofern du einen hast – alternativ kannst du das natürlich auch in einer Kirche, oder einfach innerlich tun), gib es dem Göttlichen zurück und erzähle dem
Göttlichen, was diese Geste für dich bedeutet.
„Danke, dass du so wunderbar für mich sorgst.“ Oder „Das ist für dich. Ich möchte, dass du mir zeigst, wie ich dies in deinem Sinne verwenden kann. Bitte führe mich.“ Oder „Ich liebe dich und
schenke dir alles, was ich bin und habe.“ Oder … eben das, was du in der Tiefe deines Herzens empfindest.
Es tut gut, den scheinbaren Widerspruch zwischen Spiritualität und Geld in dieser Weise zu verwandeln …
„Wer mir mit Hingabe ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder ein wenig Wasser schenkt – dessen so hingebungsvolles und mit reinem Geist gegebenes Opfer nehme ich an. Alles, was du tust, was
du isst, alles, was du opferst, alles, was du gibst, jede Askese, jedes Tapas, jede Übung, oh Arjuna, bringe es mir dar." (Krishna in der Bhagavad Gita, IX 26 und 27)
Von Mag. Jasmin Yasmin
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