1. Teil
Yoga hat sich in den letzten 50 Jahren auf eine unglaubliche Weise verbreitet und wird in zahllosen Formen und Stilen gelehrt und praktiziert. Welche Yoga-Stile und -Formen gibt es und was zeichnet sie aus? Wie stehen die verschiedenen Yoga-Traditionen zueinander und welche Schwerpunkte setzen sie? Wir wollen in einer kleinen Serie von Artikeln versuchen, diese und noch weitere Fragen zu beantworten und dir einen Überblick über die Vielfalt der Erscheinungsformen des Yoga zu geben.
Die heilige Wissenschaft des Yoga entwickelte sich in Indien; ihr Beginn lässt sich nicht exakt festlegen – es gab keine Person, die „Yoga begründete“, vielmehr ist Yoga eine geistige Strömung, eine Suche nach Transzendenz, welche sich über einen sehr langen Zeitraum entwickelte. Man datiert die Anfänge dieser geistigen Strömung auf vier- bis sechstausend Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung.
Über lange Zeiträume wurde das Yoga-Wissen nur persönlich vom Lehrer an seine Schüler weitergegeben, oft ohne Zuhilfenahme von schriftlichen Dokumenten. Der Schüler trat in einer Lehrzeit von klassischerweise 12 Jahren in die Fußstapfen seines Meisters; die begabtesten Schüler entwickelten sich durch die intensive Übungspraxis selbst zu Lehrern und spirituellen Meistern, die wiederum ihr Wissen und ihre Erkenntnisse an ihre Schüler weitergaben. Dieses System einer sich fortsetzenden Lehrer-Schüler-Linie wird als Guru Parampara bezeichnet.
Ein klassisches und vielzitiertes Beispiel für eine Guru Parampara ist jene von Paramahamsa Yogananda: Babaji war der ursprüngliche Lehrer und Lahiri Mahasaya sein Schüler; dessen Schüler Sri
Yukteshwar schließlich wurde der Lehrer von Yogananda, der wiederum viele Schüler hatte, die ihr Wissen weltweit weitergaben. Auf diese Weise entstanden Yoga-Traditionen, die sich bemühen, ihre
Lehre authentisch und korrekt zu erhalten und weiterzugeben.
Die Bedeutung der klassischen Yoga-Meister und ihrer Schulen in der Yoga-Welt beginnt langsam abzunehmen, da viele neue Yoga-Bewegungen Elemente der traditionellen Schulen miteinander kombinieren und neue Stile und Wege entwickeln. Jede Yoga-Schule arbeitet mit bestimmten Grundgedanken und setzt unterschiedliche Schwerpunkte.
So entstand in den letzten Dekaden eine große Zahl von Yoga-Schulen und -Stilen, teils mehr lokal, teils weltweit. Teils orientieren sich die Yoga-Richtungen, die in Europa und USA entstanden
sind, vermehrt an Wissenschaft und modernen Erkenntnissen der Anatomie, Physiologie und Psychologie, während der klassische Bezug zum Guru als erleuchteten Meister kaum mehr gegeben ist. Die
Herausforderung besteht nun darin, die Essenz, den Geist und die Vision des Yoga vor den modernen Hintergründen der Wissenschaft, Medizin und Gesundheit nicht aus den Augen zu verlieren.
Die Begriffe Yoga-Tradition, Yoga-Schule, Yoga-Stil und Yoga-Weg sind von fließenden Übergängen geprägt, jeder mag sie vielleicht unterschiedlich definieren. Eine Yoga-Tradition blickt gewöhnlich auf eine Geschichte von 100 Jahren bis hin zu mehreren hundert Jahren zurück und wurde von einem großen Meister gegründet (Krishnamacharya, Sivananda, Yogananda, Swami Rama, Sri Aurobindo) – hier lebt eine starke spirituelle Energie des Meisters fort; Yoga-Schulen, -Wege und -Stile sind Konzepte, die das Instrumentarium des Yoga in unterschiedlicher Ausprägung und Gewichtung einsetzen; sie drücken das Verständnis des Gründers über Ziel und Weg des Yoga aus.
Es gibt bei diesen Yoga-Schulen sehr unterschiedliche Formen und Schwerpunkte, und wir wollen uns hier einen Überblick der verschiedenen bekannteren Yoga-Bewegungen verschaffen, wozu eine
Unterteilung und Struktur erforderlich ist. Wir können die Yoga-Bewegungen unterscheiden nach dem gesetzten Schwerpunkt:
Aus dieser Unterteilung hat sich der folgende Überblick ergeben, der jedoch nicht den Anspruch der Vollständigkeit erheben möchte.
Wir werden diesen Überblick als Grundlage für unsere weiteren Betrachtungen heranziehen und in den folgenden Artikeln diese vier Gruppen einzeln und ausführlich vorstellen.
Der Folgeartikel erscheint ca Feb 2022.
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