Das Gesetz der Verbindung mit der Quelle

Mit der göttlichen oder kosmischen Quelle verbunden zu sein, bedeutet, in Harmonie mit dem gesamten Sein zu leben – man befindet sich hier an der Wurzel des menschlichen Lebens. Alle spirituellen Wege – die Religionen, Schamanismus, Zen, Tantra und Yoga – streben danach, den Menschen zur Erfahrung seines innersten, göttlichen Selbst zu führen, wenn sie es auch zum einen unterschiedlich beschreiben und betrachten, zum anderen auf unterschiedliche Weise anstreben. Der Weg des Yoga wurzelt in Innenschau, Erkennen und Weisheit, wächst mit der inneren Kraft und Selbstdisziplin und erblüht in der Stille, in Gebet und Meditation.

 

Yoga und Stille

Immer mehr Menschen sehnen sich und suchen nach Stille. Nicht von ungefähr finden sehr viele Menschen zum Yoga - denn von welcher Seite man die heilige Wissenschaft des Yoga auch betrachtet, man wird stets auf das Prinzip der Stille, des Innehaltens stoßen:

  • Asanas - in den still gehaltenen Stellungen des Hatha Yoga beginnt sich nahezu unmerklich eine große Kraft, eine große Stille aufzubauen;
  • Pranayama - da sind Luftanhaltephasen und das Verlangsamen der Atmung - hier beginnt dein Prana-Körper die Erfahrung höchster Stille zu erahnen;
  • Mauna - die Disziplin des Schweigens unterstützt die durch die anderen Yoga-Techniken angestrebte Stille des ganzen Wesens;
  • Sogar das Fasten stellt eine Stilleübung auf einer tiefliegenden astralen Ebene dar;
  • Das Zurückziehen der Sinne ist die 5. Stufe im Raja Yoga - durch dieses „Fasten der Sinne“ wird die Stille des Geistes wesentlich unterstützt;
  • Vairagya - das yogische Loslassen und das Loslassen der Dinge der äußeren Welt, das Loslassen der Wünsche lässt im Geist Frieden und Stille entstehen;
  • Meditation - der Geist- und Emotionalkörper wird zur Ruhe geführt - die innere Stille beginnt ihr volles Potential zu entfalten.


Es ist, als spielte tief drinnen in dir eine leise, feine und sehr schöne Melodie. Doch durch das laute Leben mit all seinen intensiven Gefühlen, Freuden und Sorgen, mit intensivem Wollen und vehementen Abneigungen wird ein solches „astrales Getöse“ erzeugt, dass die göttliche Melodie in deinem Inneren die meiste Zeit ungehört verhallt. Je mehr du zur Stille findest, desto mehr wirst du eine eigenartige, wunderbare Entdeckung machen: Die Stille in dir ist nicht nur Stille, nicht nur Frieden, nicht nur Schweigen. Du wirst fühlen, dass in dieser Stille eine wunderbare, unbeschreibliche Kraft liegt. Diese Kraft ist Mut, Selbstvertrauen, Kreativität, sie ist Lebensfreude. Es ist eine Kraft wie ein Zauber, wie ein geheimnisvolles, mysteriöses Lebenselixier.

Ein stilleres Leben

Der erste Schritt, zu sich selbst zu finden und so mit der göttlichen Quelle in seiner Mitte in Kontakt zu kommen, ist es, sein Leben allgemein mehr nach Stille auszurichten:


-     Weniger lesen, dafür bewusster lesen;
-     weniger sprechen, dafür liebevoller sprechen;
-     weniger schreiben, dafür achtsamer schreiben;
-     weniger reisen, dafür bewusster reisen.


So wird einerseits unser ganzes Leben zu einem meditativen Fließen der Achtsamkeit, wir finden zur Stille, und andererseits erhält jede Handlung, die wir in diesem Geiste vollbringen, eine enorme Kraft und Qualität.
Jeder Mensch vermag es, sich zu einem gewissen Maß dem Trubel von Verkehr, Einkaufen, Internet, Handy und vielen anderen, lauten, bewegten, uns vereinnahmenden Dingen zu entziehen. Erkenne, dass Stille dir gut tut. Erkenne das Verführerische, Zersetzende an vielen Dingen aus Medien, Werbung, Klatsch und Tratsch. Mache dir die Welt um dich her bewusst, die vielen Dinge, die vielen Worte, die oft ungewünscht und aufdringlich durch Handy, Internet, Zeitungen und Gespräche auf dich zufliegen, ohne dass du sie daran hindern kannst. Versuche dich dem mehr und mehr zu entziehen und gehe in einem Maß, das sich für dich richtig anfühlt, täglich tiefer in ein einfacheres, friedvolleres Sein der Stille ein.

„Stille ist Gott. Stille ist die Grundsubstanz für Körper, Geist, Prana und Sinne. Stille ist Stärke; sie ist eine lebendige Kraft. Der Frieden, der alles Verstehen übersteigt, ist Stille.“
Swami Sivananda

ANREGUNG
Halte an einigen aufeinanderfolgenden Tagen abends eine „Tagesrückschau“ und mache dir Notizen über Situationen, in denen es in deinem Leben so richtig „laut“ wurde. Situationen, in denen es vielleicht im Beruf drunter und drüber ging, Zeitdruck, einen Streit oder ein intensives Gefühl von Ablehnung. Siehst du eine Möglichkeit, diese Art von Situationen zu reduzieren, dich zu entziehen, sie nicht mehr so an dich heranzulassen?

Phasen der Stille

Von sehr großem Wert sind regelmäßige Phasen der Stille. Die Gefahr besteht aber, dass diese Phasen der täglichen Betriebsamkeit immer mehr zum Opfer fallen. Wenn du dir der Bedeutung dieser Stillephasen bewusst bist und sie als Zeiten des bewussten Auftankens mit Energie betrachtest, sollte das nicht geschehen können.

 

ANREGUNG
Versuche, dir jeden Tag eine bestimmte Zeitspanne (etwa zehn bis zwanzig Minuten) als Auszeit zu reservieren. Nutze sie zum Meditieren, oder genieße einfach eine Phase wirklicher Stille: keine Gespräche, kein Handy-Läuten, kein „Etwas tun Müssen“. Werde auf allen Ebenen deines Wesens still und fühle die Kraft, die aus dieser Stillephase entsteht.

Mouna

Es gibt im Yoga die Disziplin des Mauna, des Schweigens. Man nimmt sich vor, während einer bestimmten Dauer auf jeden verbalen und auch nonverbalen Ausdruck zu verzichten. Das kann von ein oder zwei Stunden täglich oder halbtags an Sonntagen bis zu einer mehrtägigen Schweigephase reichen. In dieser Zeit sollten wir uns aber nicht nur der verbalen Äußerungen, weitgehend auch allen Zettelschreibens enthalten, sondern zunehmend das ganze Leben in ein Feld der Stille verwandeln und als solches erfahren. Aus einem solchen Feld der Stille entsteht eine völlig neue Qualität des Lebens und Wahrnehmens.


„Durch unnützes Reden und Getratsche wird Energie verschwendet. Weltliche Menschen wissen das nicht. Mauna bewahrt die Energie und du kannst geistig und physisch mehr Arbeit leisten. Du kannst gut meditieren. Durch die Praxis von Mauna wird die Energie des Sprechens langsam in spirituelle Energie umgewandelt. Wer Stille bewahrt, hat eine Art von Frieden, Kraft und Glück, die dem weltlichen Menschen unbekannt ist. Er hat sehr viel Energie.“     
Swami Sivananda

ANREGUNG
Nimm dir für eine bestimmte Zeit „Sprech-Urlaub“, zum Beispiel einen halben oder ganzen Tag, an dem es Beruf und Familie zulassen. In dieser Zeit halte dich an die folgenden Regeln:
●     Sprich nicht ein einziges Wort. Bereits ein Wort würde den Zauber des Mauna brechen.
●    Reduziere alle anderen Kommunikationen (auch Zettelschreiben, Gesten mit Händen usw.) auf ein absolutes Minimum.
●    Lies keine Zeitungen und verzichte auf Fernsehen und Internet.
●    Meditiere mehrmals und übe Asanas und Pranayamas.
●    Halte dich viel in der freien Natur auf.

Meditation

Die Übung der Meditation ist die Krönung des Weges zur Stille. Durch die Konzentration auf das Meditationsthema wird der Geist systematisch trainiert, in den Zustand der Stille zu gehen.

 

ANREGUNG
Reserviere täglich fünfzehn Minuten für die Meditationsübung. Wähle eine der in Kapitel 4.4 vorgestellten Meditationstechniken und wende sie für den festgesetzten Zeitraum an. Auch wenn sich keine Erfolge einzustellen scheinen, setze mit der Übung für eine bestimmte Zeit, etwa drei Monate, beharrlich fort – die Entwicklung findet oft unbemerkt statt!

Die Verbindung mit der Quelle

Die meisten von uns beten nur sonntags in der Kirche oder in sehr kritischen, bedrohlichen Situationen. Wie anders wäre unser Leben, wenn wir uns jederzeit der liebevollen und segenbringenden Gegenwart Gottes bewusst wären? Wenn wir Gott in und um uns fühlten und wüssten: Es kann nichts schief gehen – wir wären eingebettet in ein Sein der Sicherheit, der Kraft, des Friedens.
Wie auch immer wir uns Gott vorstellen, in welcher Form wir Ihn (oder Sie) auch immer anbeten, das ständige Bewusstsein der liebenden Gegenwart Gottes vermag in uns Kräfte freizusetzen, die wir oft als Wunder bezeichnen.

ÜBER DAS GEBET
"Gebet ist Nähe zu Gott. Gebet ist das Hinwenden des Geistes zu Gott. Gebet ist das Erheben der Seele Gott entgegen. Das Gebet muss vom Herzen kommen; es darf kein Lippenbekenntnis sein. Knie nieder und bete; aber lass das Gebet nicht aufhören, wenn du dich erhebst. Das Gebet muss das ganze Leben lang währen, und dein Leben muss ein einziges langes Gebet sein.
Es gibt kein Problem, das nicht durch Gebet gelöst werden könnte und kein Leid, das nicht durch Gebet überwunden werden kann. Gebet ist in Verbindung treten mit Gott. Gebet ist das Wunder, durch das die Kraft Gottes in menschliche Venen strömt. Begrüße den Tagesanbruch und verabschiede dich bei der untergehenden Sonne mit einem Gebet der Dankbarkeit; zuerst für den neuen Tag, der dir geschenkt wird, und zuletzt für die Gnade, die du erhalten hast. So wird dein Leben gesegnet sein, und so wirst du Seinen Segen ausstrahlen.
Gebet ist eine mächtige spirituelle Kraft. Es gibt nichts Reinigenderes als das Gebet. Wenn du regelmäßig betest, wird sich dein Leben allmählich verändern. Das Gebet erleichtert das Herz und erfüllt den Geist mit Frieden, Kraft und Reinheit. Wenn du betest, verbindest du dich mit dem unerschöpflichen kosmischen Kraftwerk und schöpfst Kraft, Energie, Licht und Stärke aus ihm."   
Swami Sivananda

ANREGUNG
Nimm dir jeden Tag nur fünf Minuten für eine persönliche Zwiesprache mit Gott. Sprich in eigenen Worten zu Ihm/Ihr oder in Form von Affirmationen (z. B. „Gottes Kraft und Liebe strömt mit jedem Atemzug durch mich hindurch“) oder sprich ein dir bekanntes Gebet. Danke für alles, was du hast und was für viele andere durchaus nicht selbstverständlich ist. Fühle Seinen Segen und Seine Gnade in überreichem Maß in dich einfließen. Möglicherweise wirst du diese Minuten nie mehr missen wollen!

 

Stelle dir ein Radio vor. Du suchst einen bestimmten Sender, deine Lieblingsmusik. Die Musik ist bereits da, aber um sie zu hören, musst du das Empfangsgerät gut einstellen. Mit dem Gebet stimmst du dich auf den „göttlichen Sender“ ein.


Stelle dir vor, Gott klopft an deine Tür, um dir Seinen Segen zu geben und dir Lösungen für deine größten Sorgen zu bringen. Aber du bist nicht zu Hause, weil du so viel zu tun hast und keine Zeit hast, Ihn einzulassen. Leider haben die meisten Menschen zu viel zu tun. Durch einige wenige, jedoch regelmäßige Minuten der Besinnung und des Gebetes „öffnest du Gott die Tür“.


Stelle dir vor, du bist ein kleines Kind. Du bist allein in einer unbekannten Gegend, es beginnt dunkel zu werden und du fühlst von allen Seiten unbekannte Gefahren drohen. Es beschleicht dich das Gefühl von Unsicherheit und Angst. In dieser Lage taucht auf einmal dein Vater auf; er hebt dich auf seine starken Arme und NICHTS kann dich mehr erschrecken - du befindest dich in einer Sicherheit, die jenseits jedes Schatten eines Zweifels ist.

 

Wenn Gott da ist - und er IST es! - wo bleibt da die Angst, die Unsicherheit? Durch das Loslassen des Ich in der völligen Hingabe an Gott wird das Tor geöffnet, durch das die unendlichen Energien, heilenden Kräfte und Segnungen des Kosmos in dein Leben einfließen können. Ich lade dich ein, dieses Tor weit zu öffnen!

Über menschliche und göttliche Liebe
Göttliche Liebe, die zu erfahren das höchste Ziel des Menschseins ist,  ist von dem, was wir gemeinhin als Liebe bezeichnen, grundverschieden. Für den Menschen ist Liebe ein Gefühl, das er für einen Menschen oder etwas anderes empfindet; unsere Liebe ist zielgerichtet auf etwas, das wir besonders schätzen, ehren und begehren. Was wir als Liebe bezeichnen, ist zu einem großen Teil eine Mischung aus physischer Anziehung bzw. Verlangen, Brauchen, Erwartung und ähnlichem - wie schnell sich dies ändern und ins Gegenteil verkehren kann, zeigen die Scheidungsstatistiken.

 

Universelle, göttliche Liebe dagegen ist nicht zielgerichtet; sie ist ein Strahlen, das IN dir ist, und das sich nach allen Seiten hin gleichermaßen ausbreitet. Der Mensch, der diese Liebe lebt und erfährt, bewegt sich in einem Feld andauernder, ununterbrochener Freude und Liebe allem Sein gegenüber. Die Berührung der weichen Erde oder eines Buches, das Vernehmen eines Klanges, ja ein einfacher Atemzug kann diesen Menschen in eine Ekstase göttlicher Freude emportragen. Denn wenn die Freude, die Reinheit, die Liebe IN dir ist, dann ist sie überall, wo du bist. Und diese Liebe ist auch niemals von etwas anderem abhängig als von deiner Reinheit (So führt uns das Gesetz der Verbindung mit der Quelle wieder zum ersten Gesetz zurück, zum Gesetz der Reinheit!). Beginnst du erst, diese Art der Liebe in dir zu fühlen, so ist dein ganzes Leben verwandelt - in ein durch nichts begrenztes, durch nichts bedingtes unendliches Feld der göttlichen Wonne.
Diese Liebe ist kein abstraktes Gefühlsgebilde, sondern äußert sich in jeder Situation deines Lebens. Der Mensch, der gerade vor dir steht, das Problem, dem du dich gegenüber siehst - wenn all dies gleichsam den Stempel Gottes trägt, und du nicht anders kannst, als auf alles und jeden Liebe, Toleranz und Wohlwollen auszustrahlen, dann wisse, dass du mit der Quelle, mit der Liebe, mit Gott verbunden bist!

Auszug aus dem Buch "Yoga fürs Leben" von Arjuna P. Nathschläger


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