Yoga-Philosophie für den Alltag

 

In den teils viele Jahrhunderte alten Grundgedanken des Yoga liegen Schätze, die auch dem heutigen Menschen in seinem Alltag von großem Nutzen sein können. Wir wollen uns im Folgenden die Philosophie des Raja Yoga, des Jnana Yoga und des Karma Yoga betrachten, soweit sie uns hilfreiche Hinweise für unser tägliches Leben geben können.

 

 

1. Raja Yoga

 

Der Raja Yoga, wie er vor etwa 1.900 Jahren von Patanjali Maharshi formuliert wurde, lehrt, dass wir unser wahres Sein erst dann erkennen und erfahren können, wenn die verschiedenen Aktivitäten des Geistes – Gedankenfassen, Erinnerungen, Bewertungen, Sorgen usw. – zum Stillstand gekommen sind. Das Instrument dafür ist die Meditation.

 

 

Neben dem Körper ist zweifellos der Geist das Instrument, das die wesentliche Rolle spielt, wie wir uns im Alltag bewegen, wie wir uns fühlen und wie wir die verschiedenen Aufgaben erfüllen, die sich uns stellen. Eine der besten und einfachsten Methoden, den Geist zu trainieren, seine Aufgaben bestmöglich zu erfüllen, ist, ihn durch Meditation und Achtsamkeit zu Stille und Klarheit zu führen. Hier ist eine Anregung, wie du in fast spielerischer Weise meditative Phasen in deinen Alltag einbauen kannst:

 

 

Tipp Nr. 1

Im Alltag kommt es immer wieder zu kurzen Wartezeiten, sei es im Supermarkt an der Kassa, sei es im Verkehr an der Ampel oder beim Bahnschranken, oder wenn du auf jemanden wartest. Du kannst diese Wartezeiten nutzen, auch wenn sie nur eine Minute sind, indem du deine Aufmerksamkeit auf deine Atmung richtest: Richte deine ganze Aufmerksamkeit auf das Ein- und Ausströmen der Atmung, ohne den Atemrhythmus zu verändern; versenke dich in die Magie des Atems und der subtilen Wahrnehmungen, die mit dem Empfinden der ein- und ausströmenden Luft an der Nase oder des Sich Hebens und Senkens der Bauchdecke verbunden sind. Auf diese Weise wird aus einer für manche Menschen sogar ärgerlichen Wartezeit eine Phase des Zentrierens und Ruhigwerdens des Geistes – und ein Wiederaufladen deiner Energien.

 

 

2. Jnana Yoga

 

Aus den verschiedenen Strömungen des Yoga der Weisheit und des Erkennens wollen wir hier den bekanntesten Weg, den Advaita Vedanta, herausgreifen. Er wurde im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung durch das Viveka Chudamani des großen Shankara gelehrt und besagt, dass es hinter der alltäglichen Wahrnehmung unserer Welt einen unendlich tiefen Ozean des reinen Seins gibt - unser Leben mit allen Erscheinungen sind in diesem Gleichnis lediglich die Wellen an der Oberfläche des Meeres.

 

 

Ein Begriff, ein Gedanke, der im Advaita Vedanta zentral ist, ist Vairagya, das Loslassen. Und dazu kommen wir zum …

 

 

Tipp Nr. 2

Viele Menschen sind es gewöhnt, fast alles, was ihnen im Lauf des Tages begegnet, zu kommentieren und zu bewerten. Ob es Informationen im Internet sind, zufällige Beobachtungen oder Dinge aus Gesprächen, die man aufschnappt, wir haben oft die Tendenz, auf diese Dinge zu reagieren. Die meisten dieser Dinge erfordern jedoch keine Stellungnahme und keine Bewertung, weil sie uns entweder nicht betreffen oder nicht verändert werden können.

Hier kannst du, wenn du den Impuls zur Bewertung oder zum Kommentar verspürst, dir selbst die Frage stellen: Ist ein Kommentar wirklich notwendig und sinnvoll? Oft können wir die betreffende Situation oder Information einfach so stehen lassen (auch wenn sie uns „gegen den Strich“ gehen mag) und damit in Frieden bleiben. Wenn du dies mehrmals am Tag machst, wirst du zwei Dinge feststellen: Du wirst dir der Dinge um dich und in dir viel bewusster, und du wirst deinen inneren Frieden und deine Gelassenheit allmählich vertiefen.

 

 

3. Karma Yoga

Der Karma Yoga bietet uns ein weites Feld der Bewusstwerdung im täglichen Leben – der Yoga, der täglich 16 Stunden lang gelebt werden kann, wurde unter anderem in der Bhagavad Gita beschrieben. Der wesentliche Gedanke des Karma Yoga ist, dass wir zu Leichtigkeit und Gelassenheit finden können, wenn wir unsere Erwartung an die Ergebnisse unserer Handlungen loslassen. Stattdessen sollten wir uns umso mehr auf das momentane Tun konzentrieren und die Handlung, sobald sie abgeschlossen ist, vollkommen loslassen, um uns auf die nächste Handlung zu konzentieren. Der Leitspruch des Karma Yoga ist „Tun, was zu tun ist.“ Und damit kommen wir zu einer subtilen Veränderung unserer Wahrnehmung, die der 3. Tipp anstrebt:


Tipp Nr. 3

Gib bei jeder Handlung dem Tun selbst deine volle Aufmerksamkeit, ohne das Tun als Brücke zu einer gewünschten Erfahrung oder zu einem bestimmten Ergebnis zu betrachten. Zum Beispiel fährst du zu einer Verabredung mit einer Freundin und freust dich auf das Treffen. Im Augenblick des Autofahrens jedoch lenke deine volle Aufmerksamkeit auf das Fahren und alle damit verbundenen Wahrnehmungen. Betrachte das Fahren nicht als etwas, das „nicht so wichtig“ ist, als etwas, das dich zu etwas für dich Wichtigem bringt. Alles, was du tust, sollte die gleiche Aufmerksamkeit erhalten, ob es das das Ankleiden am Morgen ist, eine berufliche Prüfung, Tee kochen oder ein Ausflug in die Berge. 


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