Die Farben der Freude

In der Artikelreihe „Die Farben der Freude“ wollen wir herausfinden, worin der größte Irrtum der Menschheit liegt und wie die Meditation uns helfen kann, das Glück dort zu finden, wo es wirklich liegt.

Jeder Mensch besitzt 7 grundlegende Qualitäten, die wir als unterschiedliche Aspekte der Freude bezeichnen können. Sie sind unser Geburtsrecht und es gibt niemanden, dem diese Eigenschaften nicht in die Wiege gelegt wurden.

Die sieben Aspekte der Freude
1. Bewusstheit: die Fähigkeit, wach und präsent zu sein
2. Wahrnehmung: die Fähigkeit, die Welt zu sehen, wie sie ist und Freundschaft mit ihr zu schließen
3. Verbundenheit: die Fähigkeit, Mitgefühl und Güte für sich selbst und andere zu empfinden
4. Wahrgebung: die Fähigkeit, die innere Stimme wahrzunehmen und weise zu handeln
5. Entspannung: die Fähigkeit, sich zu entspannen und Daseinsfreude zu empfinden
6. Vertrauen: die Fähigkeit, sich selbst und dem Leben zu vertrauen
7. Offenheit: die Fähigkeit, sich dem Leben in seiner Gesamtheit zu öffnen

Im Laufe des Erwachsenwerdens haben wir viele dieser Fähigkeiten verdeckt, bis wir oft sogar vergessen haben, dass wir sie besitzen. Um zu begreifen, wie dies geschehen konnte, müssen wir ein wenig ausholen und die Grundeigenschaften des Lebens und der Lebewesen betrachten:

Jedes Lebewesen hat drei grundlegende Bedürfnisse:
1. den Wunsch nach Sicherheit,
2. den Wunsch nach Glück und
3. den Wunsch, frei von Schmerz zu sein.

Das Leben auf der anderen Seite ist Veränderung, Bewegung, Vergänglichkeit. Dies führt unweigerlich dazu, dass unsere drei Grundbedürfnisse manchmal erfüllt sind und manchmal nicht.

Wir Menschen sind die erste Spezies, die unablässig versucht, dieses Problem zu lösen. Wir haben unzählige Wege ausprobiert, die alle dasselbe Ziel verfolgen: Schmerz zu vermeiden und Angenehmes zu erfahren. In diesem Ansatz liegt der große Irrtum der Menschheit. Er führt dazu, dass wir all die Aspekte der Freude verschütten und uns selbst und anderen Leid zufügen.
Im Lauf der letzten Jahrhunderte hat uns diese Taktik bis zu einem Punkt geführt, an dem wir das Überleben unserer Spezies gefährden.

Der einzige Weg, den wir bisher nicht versucht haben, führt in die entgegengesetzte Richtung. Er besteht darin, uns mit der Vergänglichkeit aller Erfahrungen und Erscheinungen (und dem damit verbundenen Schmerz) anzufreunden und die sieben Aspekte der Freude in uns wiederzuentdecken. Die Meditation gibt uns die Möglichkeit, diese Qualitäten Schritt für Schritt in uns zu entdecken - sie ist so etwas wie der Flugsimulator für angehende Piloten. Jedes Mal, wenn wir uns zur Meditation hinsetzen, werden wir ein wenig vertrauter mit diesen sieben Qualitäten und ganz von selbst fließen sie immer mehr in unseren Alltag.

Was uns von Beginn an bewusst sein sollte, ist, dass uns auch die Meditation nicht in den Himmel führt. Zu meditieren bedeutet, den Weg der Kriegerin/des Kriegers zu gehen, denn es erfordert Mut, dem Leben mit einem wachen Geist und offenem Herzen zu begegnen. Der Lohn dieses Weges ist die Bittersüße eines erfüllten Lebens.

Im folgenden befassen wir uns mit dem ersten Schatz, den du auf dem Weg der Meditation in dir entdecken kannst - der Fähigkeit, wach und präsent zu sein.

Das Erinnern

Die grundlegende Anweisung in der Meditation lautet, die Aufmerksamkeit auf ein Meditationsobjekt zu richten und sie - so gut es geht -  dort zu halten. Dennoch wird unser Geist früher oder später abschweifen (auch das ist Teil der Meditation). Meist dauert es zu Beginn unsere Meditationspraxis ein wenig, bis uns einfällt, dass wir bei unserem Meditationsobjekt bleiben wollten, doch irgendwann erinnern wir uns. Genau um diese Fähigkeit des Erinnerns geht es beim ersten Schritt auf dem Weg der Meditation.

Vielleicht hilft dir folgender Vergleich, um ein Gefühl für diese Fähigkeit zu bekommen: Stell dir vor, du hast vergessen, eine E-Mail zu schreiben oder den Herd auszuschalten. Plötzlich fällt es dir wie aus dem Nichts ein. Du kannst dich nicht zwingen, dich zu erinnern. Es ist ein unbewusster Anteil deines Geistes, der dich erinnert. Diesen „Achtsamkeitsmuskel“ kannst du trainieren. Du stärkst ihn jedes Mal, wenn du von deinem Meditationsobjekt abschweifst und dich wieder erinnerst. Je stärker dieser Muskel wird, umso seltener verlierst du dich in Gedanken.

„Achtsamkeit ermöglicht uns, zu entscheiden, ob wir auf einen Gedankenzug aufspringen wollen oder nicht, beziehungsweise, wenn wir unwillkürlich aufgesprungen sind, ermöglicht sie uns, bei der nächsten Station auszusteigen, statt bis zur Endstation mitzufahren.“

Sarah Silverton

Zu Beginn unserer Meditationspraxis kann es sein, dass unser Geist so zerstreut ist, dass wir uns während einer ganzen Meditationssitzung kein einziges Mal erinnern. Erst wenn der Gong am Ende der Meditation klingt, ist dies ein kurzer Moment der Bewusstheit. Wir könnten nun diesen einen Moment der Meditation genießen und einfach so weitermachen, oder wir geben unserem Geist etwas zu tun. Dies hält ihn davon ab, auf die Reise zu gehen. Eine Beschäftigung, der unser Verstand bereitwillig nachgeht, ist das Zählen. Es gibt viele unterschiedliche Varianten dieser Meditationstechnik, eine davon findest du in folgendem Video:

TIPP: Wenn Gedanken auftauchen, benenne sie freundlich als „Denken"
Wenn wir durch die Meditation ein Gefühl für die Qualität der Bewusstheit bekommen haben, geht es darum, sie in unseren Alltag mitzunehmen. Auch dabei können uns wieder unterschiedliche Übungen unterstützen, wie zum Beispiel die Übung: „Deinen Platz im Leben einnehmen“.

 

Die Qualität der Bewusstheit wird uns auf unserer Reise weiter begleiten. Sie ist die Basis für die nächste Qualität, die wir in uns entdecken werden: Die Fähigkeit, die Dinge wahrzunehmen, wie sie sind und Freundschaft mit ihnen zu schließen. Wie dir dies gelingen kann, erfährst du in der nächsten Ausgabe unserer Artikelfolge.

 

 

HINWEIS: Wenn du gerne Begleitung beim Entdecken der sieben Farben der Freude hättest, ist der 8-wöchigen Online-Kurs „Die Farben der Freude“ eine Möglichkeit. In diesem Kurs nehmen wir uns jeweils eine Woche Zeit, um mit jeder einzelnen Farbe der Freude vertraut zu werden. In der achten Woche bekommst du die Möglichkeit, dir eine individuelle und freudvolle Praxis zusammenzustellen. Weitere Infos unter www.innerjoy.at

 


Autorin

Dr. Gilda Wüst

Leiterin der Meditationslehrer-Ausbildungen an der Yoga-Akademie Austria


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