Fabian erzählt hier von seinem persönlichen Entwicklungsweg, von prägenden Erfahrungen und seinem Zugang zum Yoga:
Der Beginn meines Yogaweges war im Jahr 2004: Eine Freundin brachte mir ein Buch mit; „Das könnte dich interessieren.“ sagte sie fast beiläufig. Tatsächlich hat dieser Augenblick, in dem ich das Umschlagbild sah, für mich alles verändert; es war wohl der wichtigste Augenblick meines Lebens. Das Umschlagbild zeigte den Yogi Sri Aurobindo auf einem Buch über seinen Yoga.
Ich wusste in diesem Moment, dass meine lange Suche beendet war. Ich sah eine Vollkommenheit in einem menschlichen Gesicht, die mich zutiefst bewegte, war verzaubert von seinem Ausdruck, von dem ein unendlicher Friede und eine tief vergeistigte Schönheit ausgingen. Ich konnte mich dem Glanz dieser Augen nicht mehr entziehen, sie bewegten mich unaufhörlich und nährten eine Sehnsucht, der ich folgen musste. Nach dieser Begegnung war mein größter Wunsch, zu erfahren, wer dieser große Yogi war. Die Bücher über Sri Aurobindo enthielten viel Wichtiges und Interessantes, aber es war zu diesem Zeitpunkt noch kein tieferes Verständnis möglich, zu sehr versuchte ich, seinen Yoga noch mit dem Intellekt zu erfassen.
Die ersten Erfahrungen kamen durch die „Mutter“, Mira Alfassa, die spirituelle Weggefährtin von Sri Aurobindo: dies war die zweite große Begegnung. Als ich eines Tages einen Teeladen betrat, fiel mein Auge auf eine Reihe von Büchern im obersten Fach eines Regals. Es waren alte Ausgaben der „Gespräche mit der Mutter“ (1929 und 1935) – und ich war fast sprachlos vor Erstaunen, dass sie so schnell und auf solchem Weg zu mir kamen.
Beim Lesen der Bücher begann ich erstmals zu fühlen, worum es in diesem Yoga ging. Es folgten die ersten, die eigentlich wichtigen Erfahrungen. Als ich das Buch der Mutter aufschlug, begann sich
mein innerer Zustand zu verändern … solche Dinge sind schwer zu beschreiben … eine ganz wunderbare, sanfte, aber sehr spürbare Gegenwart kam herab. Ein feiner, magnetischer Einstrom begann Stirn
und Schläfen zu durchdringen, wie um dort etwas Hartes, Starres zu lösen. Ich hatte noch nie solche Erfahrungen gemacht und wusste in den ersten Momenten nicht, was ich mit diesen Wahrnehmungen
anfangen sollte. Dann verstand ich, dass es Ihr Wirken sein musste und begann mich diesen Einflüssen bewusst zu öffnen. Ich bemerkte, dass diese Einströmungen den Zustand des Geistes
veränderten und es begann eine Reihe intensiver, neuartiger Erfahrungen, die ich nicht recht einordnen konnte … die mir aber zeigten, dass der Weg des Yoga den Umgang mit sehr realen Einflüssen
und Kräften bedeutet.
Ein Jahr später war ich in den USA, im Sri Aurobindo Center in Woodstock, bei New York. Dort habe ich einen für meinen weiteren Weg wichtigen Menschen kennen gelernt. Wie durch Fügung war er –
aus Südindien gekommen und nur auf der Durchreise – dort am selben Tag zu Besuch wie ich: Es war der Historiker des Sri Aurobindo Ashram in Pondicherry, Peter Heehs, der das Leben und Werk von
Sri Aurobindo für westliche Verlage aufbereitet und einige Bücher zu Sri Aurobindo und seinem Yoga publiziert hat. Bei unserem Abschied sagte er „Wenn du nach Pondicherry kommen willst, kann ich
dir helfen und dich mit den Menschen dort bekannt machen.“
So fasste ich den Mut für einen längeren Indienaufenthalt und lernte durch seine Vermittlung Peter Steiger kennen, einen seit 50 Jahren im Ashram lebenden Schweizer, der die Werke von Mutter und Sri Aurobindo ins Deutsche übersetzt hat. Das gemeinsame Jahr mit Peter war in spiritueller Hinsicht die wichtigste Zeit meines Lebens. Seine Hingabe an die Göttliche Mutter ließ mich das tiefere Wesen des Yoga erfahren, in seiner Gegenwart fühlte ich Ihre Gegenwart. Peter hat sein Leben dem Werk Sri Aurobindos gewidmet, an der Übersetzung seines dichterischen Hauptwerks „Sawitri“ arbeitete er mehr als 50 Jahre. Das Mantra, das schöpferische Wort des Veda, war seine Sadhana. Und es war ein Geschenk der Göttlichen Gnade, in seiner spirituellen Obhut und Atmosphäre leben zu dürfen.
Im Ashram saß ich eines Tages längere Zeit still am „Samadhi“, dem Grabmal von Mutter und Sri Aurobindo, das eine sehr große Kraft ausstrahlt und den Menschen als Meditationsort offen steht.
Während dieser Stille begann sich mein Zustand zu verändern, Sinne und Geist waren sehr tief im Inneren gesammelt. Als ich nach längerer Zeit die Augen öffnete und mich auf den Heimweg machen
wollte, bemerkte ich, dass dieser Zustand beim Weggehen anhielt. In dieser tiefen, inneren Sammlung ging ich noch in das kleine Buchgeschäft im Ashram gleich neben dem Samadhi. Der Verkäufer, ein
Bewohner des Ashrams, bemerkte meinen Zustand und sprach mich sehr freundlich an. Ich versuchte etwas zu sagen, kaufte dann aus Verlegenheit ein paar Dinge und bemerkte, dass sich der Geist dabei
wieder an die Oberflächen des gewöhnlichen Bewusstseins zurückzog. Der Mann bemerkte die Veränderung und wandte sich still und lächelnd wieder ab. Ich hatte den Eindruck, dass er in mich hinein
sehen konnte ... und dass er ständig in diesem Bewusstsein lebte. Durch diese und andere Erfahrungen bemerkte ich nach und nach, dass viele der Bewohner des Ashrams keine gewöhnlichen Menschen
waren, auch wenn sie sehr gewöhnliche Arbeiten verrichteten und man ihnen äußerlich nur Stille und Konzentration ansehen konnte. Es waren diese sehr einfachen Erlebnisse, die so bereichernd waren
und die sich nach und nach in meine Seele einprägten.
Als ich aus Indien zurückkam, hatte sich in mir viel verändert. Aber alles war noch sehr frisch und unausgereift. Nachdem ich hier in Österreich einige Jahre sehr zurückgezogen gelebt hatte, fühlte ich den Wunsch, den Yoga, wie ich ihn erfahren hatte, weitergeben zu können. Aber zwischen meinen Erfahrungen in Indien und dem, was bei uns als Yoga praktiziert wurde, lag eine so große Kluft, dass ich nicht wusste, wie ich diesen Wunsch verwirklichen sollte.
Erst durch die Verbindung mit Arjuna und die anschließende Ausbildung bei ihm (2010) verstand ich, wie man den Menschen die großen Wege und Weisheiten des Yoga leicht verständlich, durch die
Themen des Alltags zugänglich machen konnte. Diese Erfahrung konnte die Kluft schließen und gleichzeitig die Perspektive eines Yoga eröffnen, der nicht nur den inneren Menschen, sondern auch das
äußere Leben verändert.
In diesem Verständnis will ich einen ganzheitlichen Yoga vermitteln, dessen Ziel darin liegt, alle Anlagen und Möglichkeiten, die im Inneren des Menschen veranlagt sind, zur Entfaltung zu bringen. Die großen Yogawege mit ihren vielfältigen Methoden liefern dazu die wesentlichen Schlüssel. Ein Erblühen des Menschen ist das individuelle Ziel, ein Erblühen des kollektiven Bewusstseins für ein Göttlicheres Leben auf der Erde ist die übergeordnete Perspektive dieses Yoga.
„Yoga muss der Menschheit enthüllt werden, weil sie ohne ihn den nächsten Schritt in ihrer Evolution nicht machen kann.“ (Sri Aurobindo)
Vor meiner Zeit bei der Yoga Akademie (vor 2010) waren die Erfahrungen mit den Methoden und Übungen des Hatha Yoga noch recht bescheiden. Erst im Lauf meiner Yogalehrer-Ausbildung kam ich mit dem Hatha Yoga in Berührung. Das war eine wirklich beglückende Erfahrung, als ob der Körper schon voller Sehnsucht darauf gewartet hätte, mit all diesen Atem- und Körpertechniken am Yogaweg teilhaben zu können und dann die Erfahrung machen durfte, dass körperliche Übungen so tiefe geistige Wirkungen mit sich bringen können … und das in recht kurzer Zeit.
Es entstand viel Freude beim Üben der Asanas und Pranayamas, ich war begeistert und praktizierte bis zu fünf Stunden täglich Hatha Yoga. Schon bald stellten sich körperlich und innerlich sehr spürbare Wirkungen dieser Praxis ein. Die ersten Erfahrungen hatten schon beim Lesen der Schriften der Mutter begonnen, als verschiedene Pranas im Kopfbereich, an den Schläfen, am Scheitel, bald im ganzen Körper fühlbar wurden. Durch die Praxis des Hatha Yoga wurde es möglich, gezielt auf diese Pranas einzuwirken, sie im Körper zu lenken. Ich war sehr erfüllt und auch beeindruckt von diesen Techniken, durch die man so einfach und wirkungsvoll die Lebensenergien im Körper erbauen und beeinflussen konnte.
Nach den geistigen und psychologischen Erfahrungen mit Mutter und Sri Aurobindo wurde die Sadhana damit ganz wesentlich ergänzt. Durch die regelmäßige Praxis, die die Ausbildung mit sich brachte,
konnte ich am eigenen Leib erfahren, wie sehr der Zustand des Körpers und der Lebensenergien die psychische Konstitution des Menschen verändert.
Seit 2011 gebe ich Yoga in Form von Yogalehrer-Ausbildungen weiter. In den Ausbildungen versuche ich, den Yoga und seine Methoden im Licht einer seelischen Entwicklung zu vermitteln. Die Körperübungen bieten vielen Menschen einen gut erfahrbaren Zugang zum Yoga. Gleichzeitig brauchen alle Methoden einen Prozess der Verfeinerung und Verinnerlichung ... auch die Asana, wenn sie nicht an einer körperlichen Oberfläche bleiben soll.
Die zunehmende Stille des Körpers und der Atmung soll eine Stille auch im Geist verankern und tiefere Wahrnehmungsebenen öffnen. Die Körperübungen dienen damit nicht nur dem Körper, sondern
der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins, womit die körperliche Übungspraxis zum Ausgangspunkt einer inneren Entwicklung des Menschen wird. In den Yogalehrer-Ausbildungen versuche ich, den
Menschen die Vielfalt der Methoden und Möglichkeiten des Yoga näherzubringen, damit sie durch persönliche Wahl der Übungen und Methoden ihren eigenen Übungsweg finden können. Auf diese Weise will
die Yogalehrerausbildung eine innerlich authentische Yoga Sadhana entwickeln, die man ebenso authentisch an andere Menschen weitergeben kann.
Die ersten 30 Jahre hatte ich wirklich keine Ahnung, wo ich hingehörte oder was meine Aufgabe im Leben war. Es gab keine bewussten Lebensvisionen, keine Vorbilder, keine besondere Inspiration, nichts, das mich tiefer angesprochen oder berührt hätte und das ich als wahr und schön und vorbildhaft hätte akzeptieren können. Die ersten Erwachsenenjahre waren eine Suche nach einem sinnerfüllten Leben. Ich habe Jus studiert, auch Philosophie und Theologie Vorlesungen besuchte ich gelegentlich, aber ich fand nicht, was ich suchte.
Bald erschien mir das Studieren sinnlos und ich begann, mit meinen Brüdern ein Unternehmen aufzubauen - auch, weil mir andere Perspektiven fehlten. Von einem sinnerfüllten, freudvollen Lebensweg
war ich damals weit entfernt. Die Sehnsucht danach verlagerte sich auf das Leben zuhause: auf große Romane und philosophische Lektüre – und auf die freien Abende, die sich mit guten Freunden,
Musik und Marihuana gestalteten.
Mit dem Yoga kam die Wendung im Leben. Einige Zeit nach der ersten Begegnung mit Sri Aurobindo habe ich das Unternehmen verlassen. Ich habe dort viel über das Leben und über die Wirtschaft
gelernt. Leider auch, was das Verlangen nach Geld aus uns Menschen macht und wie sehr es die menschliche Natur entstellt. Wo Freude am Erschaffen und der Dienst an einem höheren Leben für alle
Menschen die Triebfeder unserer Wirtschaft sein könnten, werden die seelischen Motive, die uns ein freieres und liebevolleres Menschsein ermöglichen würden, zu oft von egoistischen Antrieben
verdrängt. Die Erfahrung war aber wertvoll … und sie war Motivation genug, das alte Leben zu verlassen und einen Weg einzuschlagen, den ich als schön und lebenswert empfand … und den ich freieren
Herzens gehen konnte.
Die große Schönheit und Inspiration, die der Yoga schenkt und die mir selbst von der Mutter und Sri Aurobindo geschenkt wurden, versuche ich an die Menschen weiterzugeben. Unsere Ausbildungen
bilden dazu einen Rahmen, der nicht nur geistige Inspiration, sondern auch ein tiefes und lebendiges Miteinander ermöglicht. Wir sind im Yoga nicht nur vor die großen Fragen der Menschheit
gestellt, wir arbeiten auch an den elementaren Entwicklungen unseres eigenen Lebens. Ich glaube, dass die meisten Menschen zum Yoga kommen, weil sie sich nach einem wahrhaftigeren
Lebensausdruck sehnen. So entsteht in den Seminaren oft ein ganz vertrautes und inniges Zusammensein, weil die Menschen in ihrer Suche und inneren Sehnsucht schon irgendwie miteinander verbunden
sind. Manchmal entstehen in dieser Zeit auch tiefere Verbindungen, die weit über die Ausbildungszeit hinausreichen.
Die Begegnung mit dem Yoga zeigte mir, dass die menschliche Suche nach einem wahreren, von Liebe und Freude geleiteten Leben keine naive Weltfremdheit ist, sondern unser wichtigster und
heiligster Antrieb. Ich lernte durch die Mutter und Sri Aurobindo, dass man diesem Antrieb der Seele folgen muss, wenn man am Weg des Yoga voranschreiten will. Allerdings begann ich mit viel
Selbstdisziplin und bemerkte mit der Zeit, dass diese äußerlichen Bemühungen zwar ein wichtiger, aber letztlich nur kleiner Beitrag zu einem Göttlichen Geschehen sind, dem man sich anzuvertrauen
beginnt.
So besteht die Sadhana heute vor allem in dem Bemühen, die Hingabe und Überantwortung an die Göttliche Mutter, die Maha Shakti zu vertiefen. Alles muss ihrem Willen geöffnet werden, den du in dir zu erkennen und auszudrücken suchst. Wo das Ego seine Herrschaft aufrechterhalten will, kann nur ihr Licht und ihr Einfluss die menschliche Natur wandeln. So ist die Yoga Sadhana eine gesamthafte Bemühung des Menschen, seine Begrenzungen zu lösen und sich dem Wirken der höheren Kräfte zu öffnen. Wie die Hingabe wächst, kann die Sadhana zu einem freien und spontanen Wirken dieser Kräfte werden. Dann wird der Yoga sehr einfach: aus Liebe zum Göttlichen leben.
Die Anbetung der Göttlichen Mutter
... verstummt war andrer Ansprüche Schrei in ihm:
Er sehnte sich nur, Ihre Gegenwart und Kraft
in Herz und Geist und atmenden Leib zu ziehen,
er trachtete nur, ihre Heilsberührung der Liebe,
Wahrheit und Freude für immer herabzurufen
In diese Finsternis der leidenden Welt.
Befreit war seine Seele und Ihr geschenkt.
aus dem Yoga-Epos „Sawitri“ (Sri Aurobindo)
Danke fürs Teilen!